Beim Versuch Ordnung in meine Schränken zu bekommen, habe ich eine Mappe mit zahlreichen Zeichnungen aus meiner Kindheit wiederentdeckt. Ich fand die Parallele zu meinen aktuellen Kunstwerken fazinierend. Natürlich habe ich mich in Bezug auf meine Maltechnik weiterentwickelt. Aber schon damals habe ich in erster Linie versucht meinen Figuren Lebendigkeit einzuhauchen. Und tatsächlich, trotz einfacher, noch nicht ganz ausgereifter Art zu zeichnen scheinen hier schon beseelte Wesen auf dem Papier herumzuspazieren.

Freiraum schaffen
In dem Beitrag "Frauenbild" auf meiner Homepage habe ich schon ausführlich über meine Intension als Künstlerin geschrieben. Frauengestalten spielen nach wie vor eine zentrale Rolle . Sie sind sozusagen die Reiseführer und machen das Puplikum auf die verschiedenen Angelegenheiten die mich beschäftigen und die ich ausdrücken möchte aufmerksam.
In meinen Kunstwerken habe ich mir einen Platz geschaffen, wo sich mein ursprünglicher Kern frei entfalten kann. Was auch dringend notwendig war und ist, da in unserem aktuellen Gesellschaftssytem vor allem Platz für Macht, Erfolg, Durchsetzungsvermögen und Fortschritt ist. Aber Spielraum für das einfache, freie Dasein ist knapp bemessen. Es ist eher so das man sich diesen eigendlich natürlichen Lebenszustand erkämpfen muß. Wenn man sich das vor Augen führt ist klar: Mit der Art wie wir leben, bzw. mit der Behauptung, daß es so und nicht anders zu sein hat stimmt etwas nicht.
Ich kann froh sein, daß ich mich zumindestens auf Papier oder Leinwand ohne Einschränkung ausdrücken darf. Ich habe dies einem intuitiven Impuls zu verdanken, den ich als Kind gespührt und daraufhin festgehalten habe. Ich habe meine Frauenstudien von Anfang an sehr ernst genommen. Meine Schreibtischschublade war immer gut gefüllt mit Zeichnungen wie Bild 1 und 2. Ich nahm jedes zur Verfügung stehende Papier und bemalte es mit meinen Figuren. Wie man sieht habe ich meinen Malraum voll ausgenutzt. Von oben bis unten wimmelt es von Wesen.
Sichtbares Kopfkino
Während des Malens dachte ich mir zu jeder einzelnen Person Geschichten aus. So war jedes ausgefüllte Blatt Papier sozusagen ein fertiger Kinofilm für mich. Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler, Maskenbildner und Zuschauer waren eine Person ... Ich. Das war wie das Reisen in eine andere Welt, in der es sehr lebhaft zuging. Die folgenden Detailansichten 1 -4 zeigen ganz klar: Hier läuft eine Geschichte ab, ähnlich wie bei einem Comic. Allerdings ohne Bildeinteilung oder Sprechblasen. Diese hätten mich bei meinen Dreharbeiten nur gestört.
Klingt verrückt? Ist es meiner Meinung nach aber nicht. Wenn man schon Fantasie hat, sollte man sie auch nutzen. Sie ist die Fähigkeit zur Neuordnung, Verknüpfung und Verarbeitung verschiedener Gedächnisinhalte. Die inneren Bilder können Wirklichkeit werden, wenn man ihren Sinn versteht und sie ins äußere Leben integriert. Als Künstlerin halte ich die flüchtigen Eindrücke die in meinem Kopf ziellos umherschwirren mit dem Stift oder Pinsel fest und somit werden sie sichtbar undTeil der materiellen Welt.
Das ist der Punkt der beim herumträumen nicht vergessen werden darf, damit dieser Prozess lebendig bleibt und nicht zur Flucht wird. Ein Mensch der nur n seiner Einbildungswelt lebt, hat tolle Ideen, bunte Bilder, ein kostenloses Kino aber er verpasst das wahre Leben.
Entstehung neuer Welten
Kunst ist eine Möglichkeit der Fantasie Wirkung zu verleihen. Innere Prozesse werden nach außen getragen und verlieren ihren flüchtigen Charakter. Nun können auch die Mitmenschen teil an der eigenen inneren Welt haben. Im besten Fall entstehen beim Betrachten von Kunstwerken sogar 3 neue Welten:
1. die sichtbar gewordene Welt des Künstlers
2. neue IdeenWelten, Interpretationen, Erkenntnisse durch den Betrachter
3. neue Impulse durch das Kommunizieren der verschiedenen Welten von Punkt 1 und 2
So könnte es idealerweise funktionieren, wenn man mit seinen kreativen Arbeiten an die Öffentlichkeit geht. Eine von vielen Vorrausetzungen, damit das entstehen von Neuen möglich wird ist Offenheit. Als Künstler ist es für mich immer wieder interessant zu hören was andere Menschen in meinen Bildern erkennen. Es sind oft ganz andere Ideen die hier enstehen, wenn man es zulässt.
Leider fällt mir immer wieder auf das die Fähigkeit zum freien empfangen von neuen Impulsen/Informationen durch das betrachten von Kunst blockiert zu seien scheint.
Entweder ich höre Sätze wie: " Deine Bilder sind schön, aber ich habe ja keine Ahnung von Kunst" Wenn ich so etwas höre, weiß ich das für den Urheber dieser Worte keine Möglichkeit besteht in Kontakt mit seiner inneren Ideenwelt zu kommen. Es fehlt ihm an Vertrauen zu seiner Fähigkeit wahrgenommene Dinge zu reflektieren und darau sein eigenes Sinnbild zu erkennen. Dafür muß man kein Kunstgelehrter sein.
Oder das Gesehende muß erstmal in eine Kategorie eingeordnet werden. Da kommen denn Fragen wie: Ist das Surrealismus? Ist es Realismus? Nach welcher Kunststil richten Sie sich denn? Meiner Meinung nach ist das zweitrangig und engt nur die Wahrnehmung ein.
Schlimmstenfalls höre ich Kommentare, wie: " Das hätte ich aber anders dargestellt." Beim nächsten Mal bekommt ein Kommentator mit diesem Satz alle benötigten Malutensilien in die Hand gedrückt, damit er sich austoben kann.
Es ergeben sich viel mehr Möglichkeiten wenn man sich offen und spielerisch, frei von Bewertungs-, Geltungs- und Schubladendenken der Kunst nähert. Denn wird der Blick wieder klar und es ergibt sich Platz für Neues. Das ist genau die Herrangehensweise mit der ich ein neues Bild beginne. Würde ich schon vor Beginn des kreativen Prozesses auf den Rat von Außenstehenden wert legen, die am besten wissen wie ich mein Innenleben dastellen kann oder mir Gedanken machen zu welcher anerkannten Stilrichtung ich gehören will oder wie ich es irgendwelchen selbsternannten Kunstkritikern recht machen kann hätte ich kaum eine Chance mich wirklich frei zu entfalten.
Der gemeinsame Nenner
Ich habe 3 Bilder aus meiner Kindheit 3 meiner aktuellen Werke gegenübergestellt um die Gemeinsamkeiten zu verdeutlichen.
Bild 1 und 4)Die Behüterin
Beide Frauengestalten haben ihre Aufmerksamkeit auf die Dinge um sie herum. In der Kinderzeichnung kümmert sich die Mutter um die Besorgung von Wasser und lässt dabei ihre Kinder nicht aus den Augen. Diese fühlen sich dadurch geborgen und können frei herumtollen. Auf den aktuellen Kunstwerk scheint es um das gleiche Thema zu gehen, wenn auch abstrakt dargestellt. Was genau diese Frau behütet ist nicht ganz klar, aber sie strahlt Geborgenheit aus.
Bild 2 und 5) Der gemeinsame Titel: Die Fackelträgerin
Hier drückt sich wahre Frauenpower aus. Die Fackel steht für die Schaffenskraft. Für die Energie die vom Inneren sichtbar ins Äußere getragen werden will.
Bild 3 und 6) Die Baumfee
Die Frau bzw. das Mädchen schein eins mit den Bäumen zu sein. Das betrachtet werden von Außen scheint ihnen aber nicht ganz geheuer zu sein. Auf der Kinderzeichnung versteckt sich die Kleine sogar. Aber sie ist auch neugierig und hält Blickkontakt zu uns.
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